Warum Wertschätzung wirkt – auch auf Fehlzeiten
Interview mit Gesund-führen-Expertin Dr. Anne Katrin Matyssek
Dr. Anne Katrin Matyssek
Diplom-Psychologin und approbierte Psychotherapeutin aus Köln, ist Autorin zahlreicher Materialien für eine gesunde Betriebskultur.
Ihr Motto
Gesund führen – Fehlzeiten senken – do care!®
Und was wird sich wohl nie ändern?
Dr. A.K. Matyssek:
Am Anfang meiner Tätigkeit stand Absentismus im Vordergrund:
Blaumacher-Jagd war angesagt.
Später ging es dann um rein körperliche Anwesenheit – die Fehlzeitenquote war das Maß aller Dinge – und man übersah dabei zum Beispiel die Präsentismus-Gefahr. Heute, in Zeiten der Digitalisierung und des demographischen Wandels, steht der ganze Mensch mit seiner Arbeitsfähigkeit und -bereitschaft im Vordergrund. Dabei spielt die Wertschätzung eine wichtige Rolle, denn genau wie vor 20 Jahren gibt es immer wieder Klagen über Wertschätzungsdefizite.
Dr. A.K. Matyssek:
Wer abwesend ist, gefährdet die Ziele der Führungskraft. Sein Fehlen im Betrieb verursacht Störungen. Die Führungskraft muss umplanen, Mitarbeiter umsetzen, noch mehr Gespräche führen. Das nervt. Diese Ärgergefühle werden in der Regel runtergeschluckt, verschwinden dadurch aber nicht. Das Fazit: Man mag den kranken bzw. fehlenden Mitarbeiter nicht mehr so gern. Der spürt das natürlich bei seiner Rückkehr. Wer sich abgelehnt fühlt, arbeitet nicht gern und in der Folge auch nicht gut. Und schon ist eine Negativ-Spirale aus zu wenig Wertschätzung in Gang gesetzt: ‚Magst du mich nicht, dann mag ich dich nicht.‘ Bitte nicht falsch verstehen: Diese Prozesse werden nicht reflektiert, sie laufen in der Regel unbewusst ab, einfach weil die Führungskraft im Stress ist und jede Fehlzeit zusätzlichen Stress bedeutet. Wer im Stress ist, dem fällt Wertschätzung schwer …
Dr. A.K. Matyssek:
Ich habe am eigenen Leib erlebt, wie es ist, wenn der Chef krankmachend führt. Da dachte ich: Das muss auch anders gehen! Und weil ich als Studentin auch viele gute Führungskräfte hatte, wusste ich auch, wie das gehen könnte.
Dr. A.K. Matyssek:
Eine Leitung, die das Thema nur halbherzig mitträgt, weil es zum Beispiel als Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen eingeführt werden soll. Da bleibt es dann beim Lippenbekenntnis, und an den Arbeitsbedingungen soll nichts verändert werden. Das spüren die teilnehmenden Führungskräfte und gehen dann ihrerseits nur halbherzig mit.
Dr. A.K. Matyssek:
Wenn es ihnen um ein wertschätzendes respektvolles Miteinander geht, empfehle ich hierzu die Kultur-Box – die darin enthaltenen Materialien werden zum Beispiel wöchentlich ins Unternehmen gegeben, idealerweise jede Woche durch jemand anderen, der sich für dieses Thema interessiert. Und auch die Mini-Interventionen für die Führungskräfte werden wöchentlich verteilt. Oder – wenn es konkret um Gesund-Führen geht: Dann ist die Gesund-Führen-Toolbox das Mittel der Wahl: Hier lernen die Führungskräfte in 14 Mini-Sitzungen die Basis-Kompetenzen kennen, die sie brauchen, um das Thema mit Leben zu füllen. Wer direkt bei Fehlzeiten ansetzen möchte, dem empfehle ich die Teilnahme am Fehlzeiten-Profi-Trainingstag – bzw. wenn er klein starten möchte: Die 4-teilige Heftreihe „Wenn einer fehlt“ mit Tipps für Kranke, Führungskräfte, Team-Mitglieder und Personalerinnen.
Vielleicht sogar auf den Umsatz?
Dr. A.K. Matyssek:
Es gibt zum Beispiel die Untersuchung (Schreuder et al., 2013), die besagt: Führungskräfte können für ihr Unternehmen im Durchschnitt 21.000 Euro einsparen, indem sie Langzeit-Kranken die Rückkehr in den Job erleichtern. Das gelingt nur über Wertschätzung. Denn nur wenn der Mitarbeiter sich gemocht und respektiert fühlt, wird er frühzeitig zurückkehren. Natürlich immer vorausgesetzt, dass er seine Gesundheit nicht gefährdet. Aber sonst denkt kein Mensch darüber nach, von sich aus den Termin des Arbeitsbeginns vorzuverlegen. Die Führungskraft könnte ja auf dem Standpunkt stehen ‚Der ist jetzt ohnehin im Krankengeld, der kostet den Betrieb nichts mehr, denn die Lohnfortzahlung ist ja vorbei‘ (nach 6 Wochen). Aber wenn sie sich um den Mitarbeiter bemüht, den Kontakt hält, ihn über neueste Ereignisse im Team auf dem Laufenden hält, sprich: ihm mit Wertschätzung begegnet – dann kommt dieser Mensch vielleicht sogar früher zurück als erwartet. Dadurch fallen Kosten für die Einarbeitung neuer Mitarbeiter oder für Leiharbeiter weg, zum Beispiel.
Dr. A.K. Matyssek:
Ich bin besessen von der Vision einer Arbeitswelt, in der Menschen gern arbeiten… Dazu will ich beitragen. Das ist meine Mission, immer schon. Führungskräfte spielen dabei eben eine wichtige Rolle. Und da Krankheit nun einmal zum Arbeitsleben dazu gehört und gerade beim Thema Fehlzeiten die Wertschätzung schnell verloren geht, setze ich genau da an. Es ist mein persönlicher Ehrgeiz, dieses ungeliebte Thema aus der Tabuzone herauszuholen und besprechbar zu machen. Vielen fehlen da einfach die Worte.
Dr. A.K. Matyssek:
Passen Sie im ersten Schritt auf sich selbst auf. Sorgen Sie dafür, dass Sie sich im Betrieb wohlfühlen. Dann gelingt es Ihnen umso leichter, einen positiven und wertschätzenden Blick auf Ihr Team zu haben und Ihre Wertschätzung auch zu zeigen. Und wenn Sie direkt starten möchten: Machen Sie jetzt direkt eine Pause und laden Sie einen Mitarbeiter auf ein Glas Wasser ein …!
– Dr. A.K. Matyssek
Weitere Materialien für eine do-care-Kultur in Ihrem Unternehmen finden Sie unter do-care.de