Arbeit in Zeiten von Corona

Was bewegt Arbeitnehmer und Führungskräfte?

Nach mehr als sechs Wochen Lockdown warten Unternehmer, Führungskräfte und Mitarbeiter aller Branchen auf deutliche Lockerungen der Einschränkungen durch die Bundesregierung. Sinn oder Unsinn der strengen Kontaktbeschränkungen wird in den Medien hart diskutiert. Fakt ist, dass die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie viele an die Grenze ihrer Belastung gebracht haben. Es war und ist ein Stresstest der besonderen Art – für die Menschen ebenso wie für die IT- und Kommunikationssysteme der Unternehmen. Was haben Führungskräfte und Mitarbeiter in dieser Zeit gelernt? Was nehmen sie mit für die Zukunft?

Vor diesem Hintergrund hat die Marburger Agentur die kommunikatöre am 14. April eine branchenübergreifende Umfrage unter Führungskräften und Mitarbeitern gestartet. Dazu erklärt Geschäftsführerin Sabine Frieg: „Dass diese erste Welle der Corona-Pandemie für alle eine außerordentliche Belastung ist, steht außer Frage. Wir wollten jedoch wissen, ob Führungskräfte und Mitarbeiter in dieser Situation auch positive Aspekte sehen. Die ersten Ergebnisse der Umfrage zeigen: Die Rückbesinnung auf eigene Bedürfnisse und auf das Team ist ein wichtiges Learning. Außerdem konnten in den vergangenen Wochen viele vorher undenkbare Modelle von Remote-Work in der Praxis erprobt werden, was eine Kultur des Vertrauens voraussetzt. Zudem zeigt sich aktuell, wie wichtig eine transparente und wertschätzende Kommunikation ist. Zu den Gewinnern gehören deshalb starke Teams, in denen Führungskraft und Mitarbeiter schon vorher gut zusammengearbeitet haben. Doch letztendlich können alle die Krise nutzen, das Miteinander zu reflektieren und wenn nötig in puncto Unternehmenskultur nachbessern.“

 

Die Ergebnisse im Überblick:

Homeoffice

Wer kann, hat seinen Arbeitsplatz seit einigen Wochen in den eigenen vier Wänden eingerichtet. Nachdem anfängliche Schwierigkeiten beseitigt sind, haben immerhin 27 Prozent der Befragten die Homeoffice-Tätigkeit explizit gelobt. 23 Prozent wünschen sich, auch nach der Corona-Krise digitales Arbeiten und Homeoffice-Lösungen weiter zu forcieren. Auf der „Positiv-Liste“ stehen bei den Befürwortern vor allem das konzentriertere Arbeiten und die Möglichkeit, auf lange Wege oder Dienstreisen auch zukünftig häufiger verzichten zu können.

Eltern kleiner oder schulpflichtiger Kinder haben einen eigenen Blick auf die Situation: Für sie hat sich das Stressgefühl teilweise extrem gesteigert. Das schlechte Gewissen, weder der Arbeit noch den Kindern richtig gerecht werden zu können, zehrt an den Nerven. Wenig überraschend sehnen sie sich nach einem baldigen Ende ihrer Homeoffice-Tätigkeit oder benötigen in absehbarer Zeit eine verlässliche Kinderbetreuung. Dennoch erleben 16 Prozent der Befragten den Alltag in der Corona-Quarantäne sowie das „Homeschooling“ als positiv.

Kommunikation

Bei allem Lob für die Möglichkeiten der Digitalisierung zeigen viele Antworten auch die Schattenseiten der indirekten Ansprache. So sei die interne Kommunikation häufig zeitintensiv, umständlich oder kompliziert. Sachverhalte müssen genauer formuliert werden, trotzdem erhalten sowohl Mitarbeiter als auch Führungskräfte weniger direktes Feedback. Kunden können oft schlechter erreicht werden. Angst lähmt die Prozesse. Pausen oder geregelte Arbeitszeiten werden oft nicht eingehalten. Das anfängliche „Humor verbindet Kollegen und Kunden“ entwickelt sich an manchen Stellen bereits zu einem „die Krise entfremdet uns.“

Trotzdem ist fast jeder Fünfte der Befragten der Meinung, dass der Zusammenhalt der Kollegen und die Flexibilität der Mitarbeiter sie positiv überrascht habe. Einige Teilnehmer beschreiben ein „Zusammenrücken“ in dieser schwierigen Zeit. Persönliche Unstimmigkeiten würden demnach in den Hintergrund treten. Es entstehe ein „Wir schaffen das“-Gefühl. Dies alles fördere den Teamgeist.

Was vermisse ich?

Oft regen wir uns über Kollegen oder Familie auf – jetzt stehen sie gleich nach den Freunden (38 Prozent der Nennungen) auf Platz 2 , was oder wer im Homeoffice am meisten vermisst wird (33 bzw. 34 Prozent der Nennungen). Zwischenmenschliche Zusammenkünfte fehlen spürbar. Sei es eine Umarmung oder nur die gemeinsame Tasse Kaffee in der Pause. Zusammen lachen oder Dampf ablassen, gute Laune haben oder ein Problem diskutieren – das Zusammengehörigkeitsgefühl, das wir beim persönlichen Umgang mit anderen wahrnehmen, geht in diesen Zeiten verloren. Nur vier Prozent der Befragten vermissen „erstaunlich wenig“ bis nichts.

 

Wie lange noch?

50 Prozent der Befragten antworten auf die Frage: „Welche Frage geht Ihnen momentan am häufigsten durch den Kopf?“ mit „Wie lange noch…?“ Wie lange hält mein Unternehmen durch? Wie lange halte ich die Doppelbelastung durch? Wie lange hält die deutsche Wirtschaft das durch? 22 Prozent der Befragten machen sich Gedanken über die Welt nach der Krise: Wie werden sich unsere Wirtschaft, unser Konsumverhalten und unser soziales Miteinander verändern? Selbstständige und Geschäftsführer machen sich vor allem Sorgen um ihr Unternehmen: Übersteht meine Firma diese Krise?

 

Das Leben nach der Krise

Neben der Möglichkeit, mehr Homeoffice-Arbeitsplätze nutzen zu können, nehmen sich 16 Prozent der Befragten vor, nach der Krise den eigenen Bedürfnissen mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Vor allem genannt wurden hier mehr Bewegung (Spaziergänge etc.) und ein konzentrierteres Arbeiten. 15 Prozent der Befragten wollen auch zukünftig mehr Wert auf ein achtsames, wertschätzendes Miteinander legen. 12 Prozent ist es wichtig, auch weiterhin bewusster zu reisen, zu konsumieren und Auto zu fahren. Ebenso viele wollen ihren Blick für Essentielles und die Entschleunigung beibehalten. Vier Prozent der Befragten schrieben, dass sie auch weiterhin den Hygieneschutz im Blick haben wollen, zum Beispiel beim Verzicht auf das Händeschütteln. Führungskräfte gaben an, zukünftig verstärkt auf die Mannschaft zu achten und kreativer miteinander arbeiten zu wollen.

Die Umfrage

Durchschnittlich haben sich die Umfrage-Teilnehmer etwas mehr als 20 Minuten Zeit genommen, um die elf Fragen zum Thema „Corona“ zu beantworten. Hier ist jedoch zu beachten, dass es keine Pflichtfelder für die 121 Teilnehmer gibt. Das bedeutet, dass es auch Fragen gibt, bei deren Summierung man eben nicht auf die 121 Antworten kommt (siehe zum Beispiel Angaben zu Führungskräften).

Die Aufteilung von Frauen und Männern ist bei der Umfrage fast ausgeglichen (60 zu 61 Teilnehmer). Ebenso die Zahl derjenigen, die sich in einer Führungsposition befinden gegenüber Angestellten ohne Führungsaufgaben (60 Führungskräfte und 59 Personen ohne Führungsaufgabe). Natürlich bilden die Aussagen, die die kommunikatöre über die Umfrage treffen können, kein einheitliches und für alle Arbeitnehmer stellvertretendes Gesellschaftsbild ab. Dennoch gibt es bei einigen Fragen eine bemerkenswerte Übereinstimmung in den Antworten.

Fazit

Nach den Anordnungen der Bundesregierung im März, blieb den Arbeitgebern nicht viel Zeit, um Lösungen für ihre Betriebe zu finden. Die mit dem Virus einhergehenden Kontaktbeschränkungen sorgten Vielerorts für eine rasche Umstellung auf digitale Arbeitsabläufe. Statt Kunden und Kollegen persönlich zu treffen, wurden die Gespräche ins Netz verlagert. Die technische Umsetzung stand bei der Umfrage jedoch weniger im Fokus, als die Auswirkungen der Arbeitsumstellung auf das persönliche Wohlbefinden.

Corona ist für alle der Beginn von etwas Neuem. Für manche ist diese Zeit eine wirkliche Katastrophe, für andere eine Chance. Die Befragung offenbart, dass eine Rückbesinnung auf die vermeintlich einfachen Dinge des Lebens stattfindet. Zentral stehen hierfür Begriffe wie Freiheit, Familie und Freunde, die als höchstes Gut angeführt werden.

Die Umfrage zeigt, wie wichtig zwischenmenschliche Interaktion für die Zufriedenheit am Arbeitsplatz und letztendlich für gute Ergebnisse ist. Ein achtsamer Umgang mit sich und den anderen ist wichtiger denn je. Gerade in Zeiten, wo Kommunikation digitaler wird und oftmals den zwischenmenschlichen Kontakt ersetzt, sind Führungskräfte gefordert und sollten in den Themen gesunde Führung, Kommunikation und sozialer Intelligenz gestärkt werden.

„Nachdem wir anfänglich viele begeisterte Stimmen zum Homeoffice erhalten haben, merken wir jetzt (Anfang Mai, Anmerkung der Redaktion), wie die Stimmung kippt. Verstärkt sind nun kritische Töne zu lesen. Den festen Vorsatz vieler Teilnehmer, zukünftig achtsamer mit sich und dem Team umzugehen, können wir aus unserer Erfahrung aus zahlreichen Seminaren, z.B. Gesund führen“ oder „Stressbewältigung“ nur unterstützen“, erklärt Sabine Frieg. „Deshalb lassen wir nach dieser Zwischenauswertung die Umfrage noch offen. Wer sich beteiligen möchte, kann dies gerne hier tun“

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